Die neue Berliner S-Bahn
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Über Berliner Zustände abzulästern, ist fast schon öde. Man würde nie fertig werden.
Also lacht man drüber. Was anderes bleibt einem ja eh nicht übrig.
Eines der Vorzeigeprojekte beim Selbstzerstörungsprogramm Berlins ist die Dependance der Deutschen Bahn im Berliner Nahverkehr, die S-Bahn. Die S-Bahn betreibt unter anderem den Ring, die Lebensader der Stadt.
Genaugenommen die mögliche Lebensader, denn die Hälfte der Zeit funktioniert der Ring nicht. Kabel geklaut von Fachpersonal, Weichenstörung, Verzögerung im Betriebsablauf, Verzögerungen wegen polizeilicher Ermittlungen, Notarzteinsatz, zu viele Fahrer krank, Streik, technischer Schaden - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Der neueste Hit sind die neuen S-Bahn-Züge.
Da haben die deutschen Bachelor-Ingenieure ganze Arbeit geleistet. Made in Germany 2.0.
Seitdem ist alles noch schlimmer geworden. Kaum zu glauben, aber wahr!
Heute wurde Leroy Zeuge eines besonderen Spektakels.
Zuerst ist eine Ringbahn ohne Nennung von Gründen in der Hauptverkehrszeit ausgefallen. So weit, so gut, sagt sich der Kenner. Nix Besonderes.
Klar, auf dem Bahnsteig stapeln sich dann schon die Leute, wenn die nächste S-Bahn einfährt. Flüche, Schubsen, hysterische Anfälle - alles schon mehrfach von mir beschrieben.
Mit den neuen Zügen kommt jetzt der absolute Game Changer ins Spiel. Das neue Tür-Schließ-System!
Die neuen Türen verkörpern die Bunte Republik Doitschland besser als jede Beschreibung.
Im Eingangsbereich ist jetzt eine fette gelbe Linie auf den Boden gemalt. Wenn man auf dieser Linie steht, die den norm- und DIN-technisch vorgesehenen und von der EU-Kommission vorgeschriebenen Mindestabstand vom Fahrschwein zur Tür definiert - dann schließt die Tür nicht.
Sie piepst ganz wild und geht einfach nicht zu. Fertig.
Im Normalfall kommt dann der Berliner Charme zum Vorschein. Erst pöbeln genervte Fahrgäste die Missetäter an, dass sie von der Tür weggehen sollen. Je nach dem, woher der Fahrgast kommt und wie er aussieht, versteht er es und befolgt die unflätigen Bitten, oder er bleibt stehen und sagt: Fick Deine Mudda, Du Asi.
Danach kommt der Fahrer der S-Bahn mit einer Durchsage: "Also ick hab Zeit!". Jeder weiß, dass er keine Zeit hat und voll gestresst ist, also bringt das nix und er wird mit Flüchen bedacht.
Nach gefühlt fünf Minuten ist dann an allen Türen des Zugs die Erkenntnis eingetreten, dass es klüger ist, doch zurückzutreten.
So geht das an jeder Haltestelle.
Bzw. : so geht es an jeder Haltestelle, wenn der Zug nicht überfüllt ist.
Denn wenn er - wie fast immer zur Stoßzeit - überfüllt ist, kannst Du Dir Deine gelbe Linie in den Arsch schieben. Alle sind genervt, alle müssen pünktlich zur Demo auf der Autobahn sein. Da geht keiner freiwillig raus.
Was passiert dann?
Ganz einfach. Die Türen gehen nicht zu, alle Türen piepsen wie wild. Der Fahrer dreht durch und macht ständig einen Neustart: Alle Türen wieder auf, alle Türen wieder zu. Geht aber nicht. Aus dem hinteren Teil dringen Laute, die auf eine beginnende Schlägerei hinweisen. Warnhinweise. Der Fahrer brüllt ins Mikro.
Irgendwann, nach 2-3 Minuten, kommt dann die Durchsage der BVG-Fahrtleitzentrale: "Werte Fahrjäste, die S-Bahn hat ein technisches Problem. Bitte verlassen sie den Zug und nehmen die nächste S-Bahn."
Es muss nicht erwähnt werden, dass das Problem sich dadurch nur potenziert, denn eine S-Bahn fehlte ja bereits.
Usw. usf.
PS:
In M., im fernen, bösen Ostland, dessen Namen man nicht mehr nennen darf, wo die S-Bahn bzw. die Metro jeden Tag Millionen von Menschen pünktlich zum Klimakleben bringt, gibt es EINE Ansage, dass die Türen schließen. Dann hast Du exakt 2 Sekunden. Danach knallen die Türen zu. Wenn Du dazwischenkommst, hast Du ein ernsthaftes Problem. Zum einen, weil deine Rippen gebrochen sind, zum anderen, weil Dir die anderen Fahrgäste vermutlich eine reindonnern. Alle Züge fahren pünktlich los, der nächste Zug kommt zu Stoßzeiten 45 Sekunden später. Die Züge fahren in Höchstgeschwindigkeit durch die Tunnel, die Züge sind sauber, älteren Leuten werden Sitzplätze angeboten.
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